„Perfekt ist gerade gut genug?“ – Perfektionismus und Prüfungsangst in der Schule
Von der Angst, nicht zu genügen
In vielen Klassenzimmern begegnen Lehrpersonen Kindern und Jugendlichen, die sich selbst unter enormen Druck setzen. Sie wollen alles richtig machen, Fehler vermeiden und sind enttäuscht, wenn sie „nur“ eine gute Note erhalten. Diese Kinder leiden oft unter Perfektionismus – einem Persönlichkeitsmerkmal, das zu Prüfungsangst, Selbstzweifeln und sogar psychosomatischen Beschwerden führen kann
Was ist Perfektionismus bei Kindern und Jugendlichen?
Perfektionistische Kinder und Jugendliche stellen überhöhte Ansprüche an sich selbst. Sie wollen Aufgaben fehlerfrei erledigen, reagieren empfindlich auf Kritik und erleben selbst kleine Misserfolge als persönliche Niederlage. Oft hängt ihr Selbstwert stark von schulischen Leistungen ab. Sie können sich über Erfolge kaum freuen, weil sie sich auf das konzentrieren, was nicht perfekt ist.
Warum ist Perfektionismus problematisch?
Perfektionismus kann kurzfristig zu guten Leistungen führen – langfristig jedoch zu:
- Prüfungsangst: Die Angst, nicht zu genügen, blockiert das Denken und Lernen.
- Vermeidungsverhalten: Aus Angst vor Fehlern werden Aufgaben oder Handlungen nicht begonnen oder abgebrochen.
- Psychische Belastung: Selbstzweifel, Schlafprobleme, psychosomatische Beschwerden.
- Soziale Isolation: Perfektionistische Kinder und Jugendliche wirken auf andere oft überheblich oder unnahbar.
Was können Lehrpersonen tun?
Lehrpersonen spielen eine zentrale Rolle im Umgang mit perfektionistischen Schülerinnen und Schülern. Sie können:
- Fehlerfreundlichkeit fördern: Fehler als Lernchance thematisieren.
- Prozesse statt Ergebnisse loben: „Du hast dich angestrengt“ statt „Du hast eine 6“.
- Realistische Ziele setzen: Gemeinsam erreichbare Lernziele formulieren.
- Offene Gespräche führen: Raum für Sorgen und Ängste schaffen.
- Rituale zur Prüfungsentspannung einführen: Atemübungen, positive Selbstgespräche, Humor.
Was können Kinder und Jugendliche selbst tun?
Auch Schülerinnen und Schüler können lernen, mit ihrem Perfektionismus umzugehen:
- Fehler-Tagebuch führen: Jeden Tag einen „Fehler des Tages“ notieren – und was daraus gelernt wurde.
- Sich selbst ermutigen: Positive Selbstgespräche üben („Ich darf Fehler machen“).
- Vergleiche vermeiden: Den eigenen Fortschritt statt die Leistungen anderer betrachten.
- Entspannungstechniken lernen: Atemübungen, Bewegung, kreative Tätigkeiten.
Fazit für die Schule: Perfektionismus ist kein Zeichen von Schwäche – sondern ein Hinweis auf hohe Ansprüche und ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung. In der Volksschule ist es entscheidend, eine Kultur zu fördern, in der Fehler erlaubt sind, Lernen im Mittelpunkt steht und Kinder sich als wertvoll erleben – unabhängig von Noten. So kann Prüfungsangst reduziert und die Freude am Lernen gestärkt werden.
